Anhörung zum sozialen öffentlichen Auftragswesen: "Eine Änderung des Gesetzes wäre notwendig"

Rechtsunsicherheit ist das Problem, Revision ist die Lösung. Diese durchschlagende Forderung wurde während der Anhörung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) des Europäischen Parlaments am 25. Oktober 2023 erhoben.

Anhörung zum sozialen öffentlichen Auftragswesen: "Eine Änderung des Gesetzes wäre notwendig"

"Der rechtliche Rahmen ist nicht ausreichend"; "Eine Gesetzesänderung wäre notwendig"; "Wir brauchen eine rechtliche Klärung"; "Wir müssen eine Rechtsgrundlage bieten [für höhere Standards]"

Rechtsunsicherheit ist das Problem, Revision ist die Lösung. Diese durchschlagende Forderung wurde während der Anhörung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) des Europäischen Parlaments am 25. Oktober 2023 erhoben.

Die Anhörung zum Thema "Die sozialen Auswirkungen des öffentlichen Auftragswesens" befasste sich mit dem Potenzial des öffentlichen Auftragswesens in der EU, als Katalysator für die Stärkung von Tarifverhandlungen und die Förderung des sozialen Fortschritts zu dienen. Außerdem wurden diskutierte die notwendigen Schritte und Maßnahmen auf EU-Ebene, um dieses Thema effektiv anzugehen.

UNI Europa Die Botschaft von Regionalsekretär Oliver Roethig war eindeutig: "Die Schlussfolgerungen aus der Anhörung sind unmissverständlich. Um sicherzustellen, dass öffentliche Gelder den sozialen Fortschritt vorantreiben, muss die EU Rechtsklarheit schaffen und letztlich eine Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften in Betracht ziehen.."

Bei der Anhörung wurde insbesondere eine vom EMPL-Ausschuss in Auftrag gegebene Studie erörtert, die eine Reihe von eindringlichen Empfehlungen (siehe unten) enthielt, die von den Rednern und Abgeordneten gleichermaßen unterstützt wurden.

Menschenwürdige Arbeit ist im derzeitigen Rahmen nicht garantiert

Kurz vor dem Treffen veröffentlichte UNI Europa die "Landkarte des Elends", einen Bericht, in dem eine Reihe von Verstößen gegen das Arbeitsrecht und Fälle von unanständiger Arbeit im Rahmen öffentlich finanzierter Verträge aufgeführt sind. "Unbezahlte und unterbezahlte Arbeit, erzwungene Überstunden und unrechtmäßige Entlassungen und die Liste geht weiter." Das ist die Realität für Arbeitnehmer in Europa, so Oliver Roethig.

Karsten Skjellerup, der die Bemühungen der Stadt Kopenhagen zur Bekämpfung des Sozialdumpings vorstellte, wies ebenfalls auf die weit verbreitete Unterbezahlung, übermäßig lange Arbeitszeiten und das Problem der Scheinselbstständigkeit hin.

Darüber hinaus wurde der harte Preiswettbewerb, der durch den gesetzlichen Rahmen gefördert wird, auch von der Arbeitgeberseite hervorgehoben: "Tie sozial verantwortliche öffentliche Beschaffung [SRPP] horizontale Sozialklauseln sind unzureichend,", sagte Lorenzo Mattioli, Präsident der European Cleaning and Facility Services Industry (EFCI). Er wies auch darauf hin, dass in zu vielen Fällen Ausschreibungen nur auf der Grundlage des Preises vergeben werden. Der Preis als vorherrschendes Kriterium reiche nicht aus, um eine gute Qualität der Dienstleistungen und der Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, so Mattioli weiter.

Aus den Beiträgen ergaben sich zwei weitere Punkte. Erstens ist das soziale öffentliche Beschaffungswesen durch den Rechtsrahmen für das öffentliche Beschaffungswesen mit einem ernsthaften Hindernis der Rechtsunsicherheit konfrontiert. Und zweitens reicht es nicht aus, sich auf die freiwillige Einführung der sozialen Beschaffung zu verlassen. Stattdessen muss die EU zu einem verbindlichen Ansatz übergehen.

Schritt 1: Schaffung von Rechtssicherheit für die öffentliche Hand im Bereich der sozialen Beschaffung

Experten wiesen bei der Anhörung durchweg auf die Rechtsunsicherheit als Ursache für Sozialdumping hin. Sie ist ein Hindernis für die Einführung eines sozial verantwortlichen öffentlichen Beschaffungswesens (SRPP), einschließlich der Einhaltung von Tarifverträgen.

Valentina Caimi, Mitverfasserin der EMPL-Studie, stellte klar: "Der rechtliche Rahmen ist nicht ausreichend für die Umsetzung des SRPP", sagte sie.

Ähnlich äußerte sich Karen Jaehrling, Forschungsleiterin am Institut für Arbeit, Qualifikation und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen: "Eine Änderung des Gesetzes wäre notwendig. Ich bezweifle sehr, dass mit der Erstellung von Erklärungen viel erreicht werden kann.."

Auch Prof. Dr. Thorsten Schulten, Wissenschaftlicher Referent am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf, kommt zu dem Schluss, dass "Wir brauchen eine rechtliche Klarstellung, dass die Förderung von Tarifverhandlungen mit verbindlichen Arbeitsvertragsklauseln nicht gegen EU-Recht verstößt".

"Wenn wir höhere Standards garantieren wollen, müssen wir eine Rechtsgrundlage bieten", so sagte Lorenzo Mattioli, Präsident der European Cleaning and Facility Services Industry (EFCI). Er erklärte weiter, dass es schwierig sei, die Gehälter entsprechend der Inflation anzuheben, wenn die Richtlinie keine Anpassung der Ausschreibungen zulasse.

Viele der anwesenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments stimmten dem zu. Die Europaabgeordnete Agnes Jongerius (S&D, Niederlande) sagte: "Das Argument der mangelnden Rechtsklarheit wird als Schutzschild für diejenigen benutzt, die nicht zu mehr sozialer Konditionalität übergehen wollen.."

Der Europaabgeordnete Nikolaj Villumsen (Die Linke, Dänemark) äußerte sich ähnlich: "Die EMPL-Studie sagt es laut und deutlich: Die Rechtsunsicherheit der derzeitigen Vorschriften macht es den öffentlichen Auftraggebern schwer, Kriterien für Unternehmen festzulegen, um menschenwürdige Bedingungen durch Tarifverträge zu gewährleisten."

Dementsprechend hat Oliver Roethig eine klare Forderung aufgestellt, "die Vergaberichtlinie so zu überarbeiten, dass die öffentliche Hand ausdrücklich darauf drängt, dass es keine öffentlichen Aufträge ohne Tarifvertrag gibt Vertrag."

Schritt 2: Über den freiwilligen Ansatz hinausgehen

Der zweite Punkt, der sich bei der Anhörung herauskristallisierte, war, dass der derzeitige freiwillige Ansatz zur sozialen Beschaffung nicht ausreicht.

"Der freiwillige Ansatz ist unzureichend. Wir müssen auf EU-Ebene hart gegen die prekäre Arbeit vorgehen. Die 14 % des BIP nicht richtig zu nutzen, ist sogar sehr unverantwortlich,", sagte der Europaabgeordnete Kim van Sparrentak (Grüne, Niederlande). Karsten Skjellerup von der Abteilung für soziales Beschaffungswesen der Stadt Kopenhagen stellte die gute Praxis der Kampagne "Kopenhagen gegen Sozialdumping" vor. Mit einer beträchtlichen Investition von politischem Willen und Ressourcen konzentriert sich die Stadt auf die soziale Beschaffung. Dazu gehören klare Sanktionen für Auftragnehmer, die Arbeitsrechte und geltende Tarifverträge nicht nur in Kopenhagen, sondern in ihrer gesamten Lieferkette nicht einhalten.

Solche Praktiken sind zwar beeindruckend, werden sich aber wahrscheinlich nicht schnell verbreiten. Der Europaabgeordnete Kim van Sparrentak (Grüne, Niederlande) fragte, wie Kopenhagen die "Angst" vor rechtlichen Anfechtungen überwunden habe. Die Antwort von Herrn Skjellerup war aufschlussreich: "Wie haben wir die Angst überwunden? Das haben wir nie. Aber wir machen trotzdem weiter. Wir sehen uns als Pioniere, aber es gibt eine Menge Rechtsunsicherheit, und wir brauchen viel mehr Klarheit darüber, was erlaubt ist und was nicht."

Anschließend forderte der Europaabgeordnete Nikolaj Villumsen (Die Linke, Dänemark) Herrn Skjellerup auf, auf das Beispiel Maltas im Bericht "Map of Misery" von UNI Europazu reagieren. In dem Inselstaat vergab ein öffentlicher Auftraggeber Punkte bei den Vergabekriterien an Unternehmen mit Firmentarifvertrag. Doch nun wird sie von einem Konkurrenten verklagt, der die Preise unterbieten will. Der Vertreter der Kopenhagener Stadtverwaltung antwortete deutlich: "Dazu würde ich nicht raten, das wäre ein zu großes Risiko." Herr Skjellerup betonte auch, dass vor allem kleinere Kommunen weniger Ressourcen hätten und besser unterstützt würden.

In diesem Zusammenhang wies Oliver Roethig darauf hin, dass die EU weiß, dass der freiwillige Ansatz zur nachhaltigen Beschaffung nicht funktioniert. "Im Zusammenhang mit der umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung plädiert die EU-Kommission selbst für einen verpflichtenden Ansatz, weil der freiwillige Weg wenig oder keine Wirkung hat. Was wir für die grüne Beschaffung tun, sollten wir auch für die soziale Beschaffung tun."

UNI EuropaSchritt-für-Schritt-Plan für #ProcuringDecentWork

Um das öffentliche Beschaffungswesen in der Europäischen Union zu reformieren, forderte UNI Europa das Europäische Parlament und die Kommission auf, die Empfehlungen der EMPL-Studie weiterzuverfolgen, und zwar

  • "Überarbeitung und Klarstellung der obligatorischen Sozialklausel durch die ausdrückliche Feststellung, dass Tarifverträge in öffentlichen Aufträgen niemals als diskriminierende Maßnahme angesehen werden können." (p. 13)
  • "Tarifverträge in der Regel von der Bindung an den Gegenstand ausnehmen" (p. 13)
  • "Ausarbeitung spezifischer Richtlinien zur Regelung des öffentlichen Auftragswesens in bestimmten Sektoren, z. B. in arbeitsintensiven." (p. 13)

UNI EuropaRegionalsekretär Oliver Roethig stellte vier konkrete Möglichkeiten vor, wie der Rechtsrahmen für das öffentliche Auftragswesen überarbeitet werden kann, um Tarifverhandlungen zu stärken:

  1. Erstens sollten die ILO-Normen ein obligatorisches Ausschlusskriterium sein.
  2. Zweitens sollte die Einhaltung des anwendbaren unternehmensübergreifenden Tarifvertrags ein Auswahlkriterium sein.
  3. Drittens sollte ein vorteilhafterer Firmentarifvertrag den Auftragnehmern zusätzliche Pluspunkte bringen.
  4. All dies würde eine solide Grundlage bilden, aber um über das bloße Minimum hinauszugehen, müssen wir klare Ziele setzen.

Schließlich hat die EU durch das öffentliche Beschaffungswesen einen großen Einfluss auf die Erreichung der in der Mindestlohnrichtlinie festgelegten Tarifbindung von 80 %.

Die vollständige Rede von Oliver Roethig können Sie hier.

Kommission konzentriert sich auf Kompetenzen

Obwohl wiederholt rechtliche Klarheit und eine Abkehr von der Freiwilligkeit gefordert wurde, war die Antwort der Kommission wenig überzeugend. Sie schlug vor, dass das Hauptproblem ein Mangel an Fachkenntnissen sei und dass die öffentlichen Behörden mehr Schulungen für Beschaffungsbeamte anbieten sollten.

Für UNI Europa sieht das so aus, als würde man ein gebrochenes Bein mit einem Pflaster abkleben. Die Anhörung hat eindeutig strukturelle Defizite aufgezeigt, die nicht durch eine zusätzliche Ausbildung behoben werden können. "Sie, Europäische Union, sind am Zug, öffentliches Geld in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen", so Oliver Roethig abschließend.

Oliver Roethig forderte die Fraktion auf, dieses Thema ganz oben auf die Sozialagenda der EU zu setzen. Der Vorsitzende des EMPL-Ausschusses, MdEP Dragoş Pîslaru (Renew, Rumänien), reagierte darauf positiv: "Diese Anhörung zeigt eindeutig, dass Interesse und Entschlossenheit dazu vorhanden sind."

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